Wenn als wie wie daher kommt.

Update 26.9.2016

Die deutsche Sprache ist unglaublich vielseitig, vielschichtig und vielfarbig – und das schon im täglichen Gebrauch. Selbst sprachlich weniger begabte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen mit überschaubarer Schulbildung bringen es zu durchaus interessanten Sprachkreationen, die eigentlich mehr Beachtung verdient hätten. Kaum eine Sprache, die so präzise und differenziert ist und sich dabei stetig weiter entwickelt. Und dann noch die Jugendsprache, die im Prinzip eine eigene Disziplin darstellt.

Was Deutsche in der Schweiz schnell einmal verwundert ist das so genannte „Deutsch Schweizer Prägung“, in dem das allermeiste geschrieben wird, auch vom Grossteil der Medien. Es verwirrt Deutsche noch mehr wenn sie erfahren, dass sie selber das „Binnen-Deutsch“ oder „Deutsch deutscher Prägung“ schreiben – „Wie bitte??“. Kommen noch die östlichen Nachbarn der Schweizer hinzu, die gar ein „Deutsch österreichischer Prägung“ schreiben. Alle drei offiziell anerkannt und gleichwertig.

Daraus ergibt sich gezwungenermassen, dass gewisse Begriffe von Schweizern in deutschen Texten nicht oder aber auch falsch verwendet werden. Entweder tatsächlich falsch oder aber im korrekten Deutsch Schweizer Prägung. Was dann wieder korrekt wäre.

 

Dr René isch grösser we dr Reto

Es sind gerne die fiesen Wörter, wie das äusserst unscheinbare „als“, die für Verwirrung sorgen. Das „als“ gibt es in den Schweizer Dialekten nämlich nicht. „Dr René isch grösser we dr Reto.“ heisst „(Der) René ist grösser (wie) als (der) Reto.“ Dieses fehlende „als“ tritt auch in hochdeutschen Texten der Schweizer auf – bzw. es fällt durch Nichtanwesenheit auf. Und „… als wir in die Berge gingen“ ist im Schweizer Dialekt „… wo mer z’Bärg g’gange si.“ Auch wenn sich die Schweizer Mühe geben, kämpfen sie unter anderem mit „wie“ und „als“. Den Baden-Württembergern soll es anscheinend ähnlich ergehen. Nur dürfen die sich nicht auf ein „Deutsch baden-württembergischer Prägung“ berufen. Pech gehabt.

 

Es fehlen noch mehr Wörter!

Da hat der deutsche Marketingleiter sich über drei harte Jahre einen durchaus gut klingenden Schweizer Dialekt angeeignet. Doch er kann den Schweizer versuchen zu mimen wie er will, das Binnendeutsch wird ihn irgendwann verraten. So gibt es Wörter, die werden in den Schweizer Dialekten nicht verwendet, gemeinerweise manchmal auch mit regionalen Unterschieden.

Der Logik folgend gibt es für fehlende Wörter auch keine bekannte und übliche Dialektaussprache – Stichwort Phonetik. Der Marketingleiter tappt irgendwann in diese selbstgestellte Falle und spricht diese „nichtexistenten“ Wörter dann mit binnendeutscher Phonetik aus. So wie das „als“. Und lässt damit die Umgebung leis schmunzeln.

„Wänn s’guet schmöckt, dänn schmöckts au guet.“

Schweizer Dialekte kennen das Wort „riechen“ nicht. Es „schmöckt“. Dummerweise wird ein und dasselbe Wort auch für „schmecken“ verwendet (der alte Schwabe macht es genau gleich, habe ich erfahren). Daher muss der genannte Satz so verstanden werden:

„Wenn es gut riecht, dann schmeckt es auch gut.“

Wenn also der Marketingleiter das Wort „riechen“ im Schweizer Dialekt einsetzt, dann klingt es sehr schräg – und genau so wird er auch angeschaut. Zumal es keine phonetisch korrete Aussprache gibt und er so gleich zwei Mal auffällt.

Schweizer Kinder gehen zudem „in die Schule“ (i d’Schuäl), nie aber „zur Schule“. Gelegentlich werde ich den Blogeintrag ergänzen 😉

Ergänzung 26.9.2016:

„Das klingt aber guet!“ ruft der deutsche Marketingleiter im nachgeahmten Schweizer Dialekt aus und freut sich über eine attraktive Offerte (yepp, das Substantiv „Angebot“ wird gar nicht benutzt). „Ja, es tönt guet …“ kommt ihm von der Marketing-Assistentin gedehnt entgegen. Schon wieder so einer. „Klingen“ existiert nicht, selbst das Substantiv „Klang“ wird eher selten verwendet. Dabei spielen doch alle Schweizer Alphorn?

 

Eingetütet

Ich mag dieses Wort, es ist so bildhaft. Daher wäre es nett, ihm einen Platz im Schweizer Dialekt zu schenken. Doch dieser kennt ja den Begriff „Tüte“ nicht einmal. Es gibt den Sack.

Ohne Rücksicht auf allfällige fehlgeleitete Assoziationen wird das Wort im Alltag intensiv eingesetzt. Das kommt vor allem daher, dass der Schweizer seit Jahrzehnten bei den beiden Top-Grossverteilern mit dem Sack einkaufen geht. Der sogenannte „Migros-Sack“ ist die grosse, stabile Papiertüte (oder auch: Papier-Tragetasche, wobei der Schweizer niemals Tragetasche sagt), in welcher der Einkauf nach Hause getragen wird. Interessanterweise wird kaum vom „Coop-Sack“ gesprochen, das identische Tragwerkzeug des Konkurrenten der Migros. Dabei ist es für „standesbewusste“ Kleingeister ein absolutes „No-go“, mit dem Migros-Sack im Coop einkaufen zu gehen. Oder umgekehrt. Oder gar mit dem Aldi-Sack im Coop. Frevel. Oder so.

 

In die Falle getappt

Genau solche Details fallen natürlich auch den Stuttgartern an mir auf. Und ich werde beim inkorrekten Verwenden des Wortes „Sack“ mit einem milden, meist interessierten Lächeln bedacht. Mist. Jetzt bin ich – wie der zitierte deutsche Marketingleiter in der Schweiz – in eine selbstgestellte Falle in Stuttgart getappt.

Ich mag die deutsche Sprache.

 

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Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. somi1407 sagt:

    Ich mag die deutsche Sprache sehr. Leider wird sie viel zu selten wertgeschätzt und durch Anglizismen verhunzt.

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